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Rotkreuzmagazin: Miteinander statt nebeneinander

Haus Wesertal in Minden | Foto: DRK Minden

In der vom DRK betreuten Seniorenwohnanlage Haus Wesertal im ostwestfälischen Minden werden die Weichen für das Leben im Alter gestellt: Wohnen jenseits der 60 Jahre macht vor allem in der Gemeinschaft Spaß.

Ihre Verabredungen zum nachmittäglichen Kaffeetrinken organisieren sie häufig per E-Mail oder aber beim Schwätzchen im Treppenhaus. Dann werden in entspannter Atmosphäre beispielsweise Dekoaktionen, der Besuch der Gymnastikstunde im lichtdurchfluteten Gemeinschaftsraum oder auch Ausflüge in die Innenstadt geplant und abgesprochen. Und manchmal steht auch eine Stippvisite bei Kater Aladin auf dem Programm. Der kräftige und eigenwillige Stubentiger gehört eigentlich zu Jörg (65) und Rosemarie Bieda (64), wird aber oft und gerne auch von anderen Nachbarn gestreichelt. Etwa von Brigitte Meyer. Die 71-Jährige plant gerade eine Modenschau für Nachbarn,Freunde und Familienangehörige. Ort: der 150 Quadratmeter große, mediterran anmutende Gemeinschaftsraum im vierten Obergeschoss. Kein Zweifel – anders als ihre Vorgängergenerationen gehören sie nicht zum „alten Eisen“: Männer und Frauen, die vor den 1950er-Jahren geboren wurden. Sie haben klare Vorstellungen von ihrem Leben im Alter und davon, wie sie wohnen möchten: selbstbestimmt und autonom, miteinander statt nebeneinander. „Hier in der Wohnanlage ist jeder für den anderen da“, sagt Brigitte Meyer. „Wir treffen uns fast jeden Tag, spielen, reden und feiern zusammen“, ergänzt Rosemarie Bieda. Zusammen mit 38 anderen Männern und Frauen leben Brigitte Meyer, Rosemarie und Jörg Bieda sowie Kater Aladin in der vom DRK betreuten Seniorenwohnanlage Haus Wesertal in Minden, südlich der Innenstadt in einer ruhigen Anliegerstraße. Die Fußgängerzone ist nur wenige Hundert Meter entfernt. 33 Wohnungen für Alleinstehende und Paare befinden sich in dem Gebäude, das 2010 fertiggestellt und mit öffentlichen Mittel gefördert wurde. So erklärt sich auch die günstige Kaltmiete von 4,58 Euro pro Quadratmeter. Voraussetzungen für den Einzug? „Die Mieter benötigen einen Wohnberechtigungsschein und müssen über 60 Jahre alt sein“, erklärt Carl-Wilhelm Mahncke, Erster Vorsitzender des DRK-Ortsvereins Minden. Gemeinsam mit ehrenamtlichen Mitarbeitern betreut der DRK-Ortsverein in Ostwestfalen die Seniorenwohnanlage auf sogenanntem „niederschwelligem“ Niveau. Carl-Wilhelm Mahncke: „Jeder lebt in seinen eigenen vier Wänden und organisiert den Alltag mehr oder weniger allein beziehungsweise im Haus- oder Nachbarschaftsverbund.“ DRK-Angebote unterstützen das Konzept – beispielsweise Sprechstunden, regelmäßige gemeinschaftliche Veranstaltungen, Besuchsdienste sowie die Vermittlung von Alltagshilfen, wie ambulante Pflege, Menüservice, Friseur- und Fußpflegedienste, Wäschedienst, Betreuung und häusliche Pflege im vorübergehenden Krankheitsfall, sowie Hilfestellung bei Fragen eines Krankenhausaufenthaltes oder Beratung im Umgang mit Behörden. Und falls es doch zu einem gesundheitsbedingten Umzug in ein Pflegeheim kommen sollte, versucht das DRK, den Übergang zu vereinfachen. „Unsere Angebote bieten viele Vorteile, um das Leben im Alter in Sicherheit und Selbstbestimmung zu genießen. Und die Bewohner wissen: Im Notfall sind wir da“, sagt Mahncke. Er betont, dass auch der Einsatz von Technik das Leben älterer Menschen in vielen Bereichen des täglichen Lebens unterstützen kann: „Lebensqualität und Unabhängigkeit können beispielsweise durch den DRK-Hausnotruf sichergestellt werden.“ Das Deutsche Rote Kreuz ist der bundesweit größte Hausnotrufanbieter; die Stiftung Warentest kürte den DRKHausnotruf im September 2011 zum Testsieger. Auch Brigitta Limbach (78) will auf die Sicherheit am Handgelenk nicht verzichten. Seit einem Treppensturz ist sie körperlich beeinträchtigt, hört und sieht schlecht. Der Hausnotruf, den sie als Armband trägt, gibt ihr das „Gefühl von Geborgenheit und die Gewähr, im Notfall schnell Hilfe holen zu können“. Seit November 2010 wohnt Gitta – wie sie von ihren Mitbewohnern liebevoll genannt wird – im Haus Wesertal.  Für sie und ihre Mitbewohner ist es so, als ob sich eine Familie zusammengefunden habe.  „Wenn ich will, kann ich für mich allein sein, habe aber auch die Gewissheit,  dass immer jemand da ist, mit dem ich reden kann.“ Flotte Rhythmen und viel Bewegung Außerdem bietet das Zusammenleben im Haus Wesertal für die Mieter auch handfeste ökonomische Vorteile: So teilen sich DRK und Senioren die Kosten für die beliebte regelmäßige Gymnastikstunde im Gemeinschaftsraum – je Teilnehmer kostet sie nur 20 Euro im Jahr. Von dem Geld wird Sportlehrerin Alexandra Dehne bezahlt, die jeweils dienstags von 10 bis 11 Uhr für flotte Rhythmen und viel Bewegung sorgt. Gemeinsam Spaß haben, statt einsam in einer Wohnung oder im Altersheim zu sitzen, so umschreiben Brigitta Limbach und Brigitte Meyer das Lebensgefühl in der Hausgemeinschaft. Gegenseitige Unterstützung, Sympathie, Nähe und Vertrauen – das Konzept von Haus Wesertal kann Vorbild für viele andere Projekte dieser Art in ganz Deutschland sein. Denn: Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden wird im Jahr 2050 jeder Dritte 60 Jahre oder älter sein. Und: Laut Generali Altersstudie 2013 wollen die heute 65- bis 85-Jährigen so lange wie möglich ein selbstbestimmtes und aktives Leben führen.Im Falle einer Pflegebedürftigkeit ist die mit Abstand beliebteste Wohnoption in der Altersgruppe der 65- bis 85-Jährigen die eigene Wohnung mit Pflegedienst. Auch bei nachlassenden Kräften ist es also ein großer Wunsch, den eigenen Haushaltmöglichst lange aufrechtzuerhalten – und sei es mit der Hilfe entsprechender Dienstleistungen. Jakob Strehl zeigt, dass dieses Modell funktionieren kann. Der 78-Jährige wohnt im Haus Wesertal und sitzt im Rollstuhl. Seit einer Infektion des Rückenmarks während eines Auslandsaufenthaltes kann er seine Beine kaum noch bewegen. Er kocht selbst, trifft sich mit seinen Nachbarn, kümmert sich um seine Wäsche und organisiert mithilfe des Deutschen Roten Kreuzes seinen Haushalt. Überdies besucht ihn regelmäßig ein DRK-Ehrenamtler: Dr. Hartmut Rauch, pensionierter Gymnasiallehrer für Erdkunde und Französisch. Zwischen den Männern hat sich eine Freundschaft entwickelt. Und wenn es zum DRK-Kaffeeklatsch geht, wird der 78-jährige Jakob Strehl kurz entschlossen von seiner 71-jährigen Nachbarin Brigitte Meyer abgeholt. Lebenszufriedenheit durch ein intaktes Wohnumfeld Haus Wesertal – eine funktionierende Gemeinschaft, in der sich alle Bewohner gegenseitig unterstützen. Bei kleineren Haushaltsproblemen, wie etwa einem verstopften Abflussrohr, wird Hausmeister Wilhelm David gerufen. Er handelt schnell und unkompliziert. Und manchmal hilft Hausmeister David auch beim Transport von Kühlschränken, die von den Bewohnern spontan im Elektromarkt gekauft wurden. Altersgerechtes Bauen gehört in Deutschland zweifelsohne zu den Schwerpunkten der Wohnungswirtschaft. So sollte die Wohnung oder das Haus über weniger als drei Stufen zu erreichen sein, andernfalls sollte ein Aufzug zur Verfügung stehen oder sich eine Rampe im Eingang befinden. Wer fit zu Fuß ist, dem wird das Treppensteigen durch breite Stufen erleichtert. In der Wohnung sollten Bewegungsflächen die uneingeschränkte Nutzung der Toilette und des mit einer bodengleichen Dusche ausgestatteten Badezimmers ermöglichen. Auf diese Kriterien wurde beim Bau von Haus Wesertal geachtet. Antonius Mertin, zuständig für Einkauf und Vertrieb beim verantwortlichen Bauträger Wilczek Immobilien Management (WIM), weist darauf hin, dass die Fliesen in den Duschen kleiner als sonst üblich sind. Grund: Der hohe Fugenanteil sorgt für Standfestigkeit, sodass Ältere nicht so schnell aus rutschen. Neben der positiven Atmosphäre im Haus und der Ausstattung der Wohnung spielt auch das Wohnumfeld eine zentrale Rolle für die Lebenszufriedenheit der über 60-Jäh- rigen. Mertin: „Die Erreichbarkeit von medizinischen Dienstleistungen, wie Arzt oder Apotheke, ist dabei ebenso wichtig wie der schnelle Zugang zu Geschäften und Supermärkten sowie Bus- oder Bahnhaltestellen.“ Bei aller Freude und allem Spaß an gemeinschaftlichen Aktivitäten im Haus Wesertal gibt es aber Dinge, die von manchen Bewohnern lieber allein genossen werden. So schaut sich Brigitta Limbach im Fernsehen die Fußballspiele ihres Lieblingsvereins Borussia Dortmund grundsätzlich ohne ihre Nachbarn an. „Deren Kommentare würden mich nur stören“, sagt sie. Und auch Kater Aladin ist beim Essenfassen lieber für sich. Wenn der Stubentiger beim Fressen gestört wird, gibt es missbilligende Blicke und manchmal wird auch gefaucht. Und darauf wird im Haus Wesertal gerne verzichtet ... Tierische Mitbewohner geben das Gefühl, gebraucht zu werden Haustiere können im Alter eine wertvolle Stütze sein, bringen Freude und Abwechslung ins Leben, sind Gefährten und Partner, bringen Menschen zum Lachen. Die Zahl der Seniorenhaushalte in Deutschland, in denen sich eine oder mehrere Katzen aufhalten, liegt bei etwa 1,8 Millionen. Rund 1,5 Millionen Haushalte, in denen Menschen über 60 Jahre leben, haben sich für das Zusammenleben mit einem Hund entschieden. Und: Laut einer aktuellen Umfrage des Sozialforschungsinstituts ISIS für die Mars Heimtier- Studie 2013 erlauben 87 Prozent der Seniorenheime in Deutschland die Haltung von Katzen, Hunden, Vögeln oder Kaninchen. Die befragten Heimleiter sahen größtenteils positive Effekte in der Tierhaltung: gesteigerte Zufriedenheit, Lebensfreude, Mobilität, ein erhöhtes Verantwortungsbewusstsein, mehr Kommunikationsbereitschaft und Erinnerungsvermögen sowie das wichtige Gefühl, gebraucht zu werden. Neue Horizonte entdecken Viele Ältere wollen nach Ende ihrer Berufstätigkeit auf die Freude beim Lernen nicht verzichten. Weiterbildungskurse oder eine neue Sprache fordern und fördern die Menschen. Dabei steht nicht nur das Erlernen von neuem Wissen im Vordergrund – oft geht es auch um soziale Kontakte, die beim Lernen entstehen. Außerdem wird so die geistige Fitness trainiert. Auch die Bildungsangebote des Deutschen Roten Kreuzes richten sich zunehmend an Ältere – etwa beim DRK-Bildungswerk Eifel-Mosel-Hunsrück. Dort werden auf Zielgruppen spezialisierte Programme angeboten. So ermöglicht beispielsweise die DRK-Einrichtung Sprachkurse in Englisch und Französisch für Senioren ebenso wie Computerkurse für ältere Anfänger. Dazu Rainer Hoffmann, pädagogischer Leiter des DRK-Bildungswerks Eifel-Mosel-Hunsrück: „Die ältere Generation fi ndet zunehmend Gefallen am digitalen Leben. Daher werden wir auch in diesem Bereich das Weiterbildungsangebot intensivieren. Mobile, aktive Senioren wünschen sich bedarfsgerechte Seminare und Programme auch in anderen Bildungsbereichen.“ Demzufolge gibt es neben PC-Kursen auch Gymnastik und Tanz für die 50-plus-Generation im Eifelkreis und darüber hinaus. © 2013 rotkreuzmagazin
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