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28.07.2014 Minden schafft nach Bombenfund logistische Meisterleistung

Betroffene auf dem Betreuungsplatz | Foto: Alex Lehn/MT

Reaktionen auf Evakuierung fallen unterschiedlich aus

Minden (mt). Es ist 17.15 Uhr, als Cornelia Steffen die 75 Bewohner vom Haus Weingarten gestern über die bevorstehende Evakuierung informiert. Die Reaktionen auf die Worte der Einrichtungsleiterin sind unterschiedlich. Einige schrecken auf, andere nehmen die kommenden Stunden als willkommene Abwechslung. Unbeeindruckt ist aber niemand. „Dass ich so etwas noch erleben darf“, sagt Sony Sanders, als sie etwa eine Stunde später samt Rollator in den „Evakuierungsbus“ Richtung Haus Stiftstraße steigt. „Spätestens um Mitternacht wollen wir wieder zurück sein“, sagt Geschäftsführer Siegfried Rudloff. Er wirkt gelassen, spricht aber auch von einer gewissen logistischen Herausforderung, mit der man nicht rechnen konnte. „Das hat uns heute Nachmittag alle ziemlich kalt erwischt.“ Das Haus Weingarten liegt nur wenige Meter von der Grenze des Evakuierungsradius entfernt – und deshalb hoffen die Verantwortlichen noch bis zum Abend, dass zumindest die vier bettlägerigen Bewohner im Gebäude bleiben können. „Unser Saal liegt im Keller da kann eine Druckwelle eigentlich nichts ausrichten“, sagt Rudloff. Die Hoffnung zerschlägt sich dann aber doch. Alle müssen raus. „Die vier kommen über Nacht ins Klinikum“, sagt Pflegedienstleiterin Sarah Fiedel und: 20 auf den Rollstuhl angewiesene Bewohner werden gegen 20 Uhr ins Besselgymnasium gebracht. Erleichterung, die 220 Bewohner nicht evakuieren zu müssen, macht sich gegen 17.50 Uhr in der Diakoniestiftung Salem breit. Zwei Stunden und 20 Minuten früher sah die Sache noch ganz anders aus. „Wir haben unsere Mitarbeiter aus der Freizeit geholt“, sagt Christian Schultz. Der kaufmännische Vorstand gibt zu, dass ihm ein großer Stein vom Herzen gefallen sei. „Das hätte uns schon einiges abverlangt“, sagt er dem MT. Trotz des überraschenden Tagesverlaufs laufen die organisatorischen Dinge auch an den anderen Stellen des Evakuierungsgebietes rund. Gegen 17 Uhr wird damit begonnen, die Absperrgitter für den Straßenverkehr vor Ort zu bringen. Gegen 20 Uhr werden die Straßensperren aufgebaut. „Wir haben online auf MT.de davon erfahren“, sagt Renate Hahn. Sie ist Leiterin des Ambulanten Betreuten Wohnens im Club 74 – und hat ihre Bewohner aufgefordert, sich bis zum Entschärfen der Bombe „woanders aufzuhalten“, obwohl das Gebäude exakt an der Evakuierungsgrenze liegt. „Viele von ihnen sind psychisch labil. Sie sollen sich nicht aufregen“. Auch sie setzt vor allem darauf, Ruhe zu bewahren. In der Stadt geht der Alltag unterdessen ungerührt weiter. Dass die Bombe im Kreuzungsbereich Ringstraße/Rodenbecker Straße tatsächlich explodiert, wird von der Bevölkerung für mehr als unwahrscheinlich gehalten. Vereinzelt verwickeln Autofahrer die Polizisten an den Absperrung in Gespräche – besonders interessiert sie, wann die Sperrungen wohl aufgehoben werden. Die vielen Helfer des Roten Kreuzes im Besselgymnasium haben währenddessen alle Hände voll zu tun. Am Eingang werden die Namen der Menschen notiert, die hier unterkommen. Busse bringen die Mindener aus den Evakuierungsgebieten hierher. Einige sind mit dem Auto, Rad oder zu Fuß gekommen. Vor der Tür stehen zusätzliche Hilfskräfte des Roten Kreuzes und der Johanniter bereit. Krankentransporte mit Blaulicht kommen und bringen Menschen, die alleine nicht das Haus verlassen können. Im Foyer der Schule gibt es Getränke und Müsliriegel. Alles ist perfekt organisiert – wohl auch deshalb reagieren die meisten Menschen gelassen auf die Ausnahmesituation. Copyright © Mindener Tageblatt 2014
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